Busreise mit Scharlatan, Kaninchen und Motorrad an Bord

Busreisen mit Scharlatan und Kaninchen

Busreisen in West-Afrika entwickeln sich irgendwie immer zu einem kleinen Abenteuer. Nicht nur, dass man schnell statt den 5 Stunden Fahrt erst nach 12 Stunden am Ziel ist. Was einem aber bei den Fernbusfahrten noch alles so über den Weg läuft ist manchmal einfach nur surreal.

In den letzten Wochen waren meine zwei anstrengenden Busfahrten im Nachhinein dann doch ganz amüsant. Ich bin zwischen Soubré und der weiter im Norden gelegenen Stadt Toumodi unterwegs.

Soubré - Toumodi, Elfenbeinküste
Soubré – Toumodi, Elfenbeinküste Lizenz: CC BY-SA

Busreise mit Kaninchen im Handgepäck

Gemeinsam mit Marcelline, der Chefin von einem Freund hier, mache ich mich auf den Weg – zu Zweit reist es sich einfacher, vor allem in West-Afrika.

Wie verpackt man eigentlich ein lebendiges Kaninchen?

Gute Frage, ich bin bisher noch nicht auf die Idee gekommen meine Karnickel im Fernbus zu transportieren. Hier wird einfach der nächstbeste Karton gesucht und die Tiere reingestopft.
Eine andere Frage ist dann noch: Warum eigentlich das Ganze? Wie sich rausstellt sind die vier Kaninchen für Marcellins Verwandtschaft auf dem Dorf gedacht, damit die sich da eine kleine Zucht aufbauen können.

Zum Glück haben die sich dann doch aber noch ein bisschen mehr Zeit genommen und ein bisschen die Transportbedingungen optimiert.

Kaninchen in Karton
Kaninchen in Karton

Letztendlich haben wir zwei Kartons in einander gesteckt, dazwischen eine Plastik Folie – So weichen die Kartons zumindest nicht sofort von dem Urin auf. Dann haben wir noch relativ große Luftlöcher in die Kartons geschnitten, damit die Tiere nicht sofort ersticken. Zusätzlich gibt’s noch ein bisschen Maniok Blätter als Verpflegung für die Reise.

Start Probleme mit der Bus Anbindung

Wir werden mit Hilfe von zwei Motorrädern zur Bushaltestelle am Ortsausgang von Toumodi an der Autobahn gebracht. Gepäck auf dem Rücken und jeder jeweils ein Karton mit zwei Kaninchen zwischen sich und den Fahrer geklemmt.
Schon als wir an der Bushaltestelle ankommen fängt’s an schwierig zu werden, weil einfach kein Bus für die richtige Richtung kommt, in dem auch noch Platz ist. Wir warten inzwischen schon eine Stunde und Marcelline besorgt uns erst mal etwas zu Essen, damit wir die nächsten Stunden gut überstehen.

Bushaltestelle Toumodi
Bushaltestelle Toumodi

Grade als wir uns mit den Händen den gebratenen Fisch mit Attikee und Zwiebeln inklusive ordentlich Chilli reinstopfen kommt der Bus – Verdammt… also nochmal warten.
Eine halbe Stunde später kommt dann glücklicherweise auch der nächste Kleinbus Richtung Yamoussoukro. Der ist irgendwie schon mit allem möglichen an Gepäck voll aber wir quetschen uns noch auf die Sitze.

Ein paar Mal machen wir Zwischenhalte, wo dann unter den Sitzen riesige Säcke voll mit irgendwelchen Knollenfrüchten heraus gekramt werden. Erstaunlich, was da alles so in einen eigentlich schon vollen Kleinbus reinpasst. Hinter uns hält dann noch einer, der auch noch das ganze Dach voll mit Koffern und Säcken hat.

Warten auf den Bus inklusive spontanen Musikeinlagen

Busbahnhof Halle Yamoussoukro, Elfenbeinküste
Busbahnhof Halle Yamoussoukro, Elfenbeinküste

In Yamoussoukro sind wir schon nach einer halben Stunde. Jetzt kommt der längste Teil der Fahrt mit einem großen Reisebus. Aber erst mal wieder warten – Tickets gibt’s auch noch nicht, die sind für die nächsten Busse erstmal ausverkauft – Vielleicht ist Freitag wirklich kein guter Tag zum Bus fahren.

Am Bus Bahnhof laufen Kiddies rum und verkaufen Taschentücher und Kaugummis für 15 Cent das Paket. Überall nutzen die Wartenden die Zeit um ein bisschen zu dösen. Nach einiger Zeit werden wir auch schläfrig aber grade als ich kurz die Augen zu mache hört man ein lautes Knacken und dann eine extrem laute Lautsprecher Ansage. Während sich alle die Ohren zu halten, nimmt sich der Sprecher richtig Zeit um ganz ausführlich über irgendeine Abfahrt Information zu lamentieren, die wahrscheinlich noch nicht einmal stimmen wird.

Nachdem wir wieder die Augen geschlossen haben fängt irgendwann am Schalter an Musik an zu spielen und alle springen auf um ein Ticket zu ergattern. Dummerweise stellt sich nach einer halben Stunde in der Schlange raus, dass es immer noch keine Tickets gibt… naja gut warten wir halt noch. Das Vertrauen in die spontanen Dj Einlagen als irgendein Signal für Tickets ist damit aber schlussendlich gestorben.

Wir gucken mal wie es den Karnickeln so geht – Ich bin überrascht, dass die überhaupt noch am Leben sind und wir versuchen ihnen ein bisschen Wasser zu geben. Das funktioniert aber nicht so ganz weil die Tiere in ihrem Pappkarton Gefängnis ziemlich verstört sind. Aber für die Umstände geht’s ihnen doch erstaunlich gut.

Kaninchen guckt aus karton
Kaninchen guckt aus karton

Wieder einmal sitzen wir dösend auf den harten Holz Bänken, die ein bisschen an Kirchen Bänke erinnern. Plötzlich schreien alle und rennen los um ein Ticket zu ergattern. Während ich noch völlig perplex da sitze und mich wunder was jetzt schon wieder passiert, hat sich Marcelline durch einen kurzen Sprint einen guten Platz in der Schlange gesichert. Sie lacht mich offensichtlich sehr erfreut darüber an. Ich habe immer noch keine Ahnung woher irgendwer wusste, dass es losgeht.

Nach einer kurzen Weile kommt sie dann auch tatsächlich mit den Tickets in der Hand wieder zurück. Auf den Tickets steht allerdings eine Uhrzeit und das ist erst in zwei Stunden. Also nochmals warten, in der Zwischenzeit gehen wir kurz etwas essen. Marcelline meint wenn wir schon mal die Gelegenheit haben sollten wir uns auch den Bauch voll schlagen, dabei haben wir vor nicht mal zwei Stunden uns satt gegessen.

Noch einmal ein kurzer zwischen check bei den Kaninchen: die haben inzwischen alle Maniok Blätter aufgegessen und scheinen immer noch wohl auf zu sein. Die afrikanischen Haustiere müssen echt einiges aushalten…

Als der Bus dann endlich kommt stellt sich heraus, dass nur überhaupt 9 freie Plätze drin sind. Also wieder warten. Ein paar Minuten später kommt aber tatsächlich noch ein Bus und nach über 4 1/2 Stunden Umsteige Zeit geht’s dann letztendlich los. Die Abfahrtszeit auf dem Bus Ticket stimmt erstaunlicherweise sogar halbwegs. Nur die Busnummer und Sitz Nummer ist natürlich total überflüssig.

Der Bus ist mit Klimaanlage, wobei ich ganz froh bin dass die nur so halb funktioniert, weil die sonst wie selbstverständlich auf volle Pulle gedreht wird. Stolze drei Fernseher hat der Bus auch… leider wie ich schnell merke. Der Fahrer macht irgendwelche Hauptstadt Kurzfilm Komödien an, was aber die Leute eher am Schlafen hindert, als dass sie amüsiert sind.

Bei jedem heftigeren Schlagloch stürzt dann durch die Erschütterung das komplette System ab und fängt nach dem Neustart immer wieder von vorne bei dem gleichen Kurzfilm an. Das wird dem Fahrer glücklicherweise auch irgendwann zu blöd und er schaltet ab.

Nach stolzen 12 Stunden unterwegs kommen wir dann irgendwann Abends in Soubré an – Normalerweise dauert die Strecke 5 bis 6 Stunden. Die Kaninchen haben erstaunlicherweise auch überlebt und das ohne Wasser…

Rückfahrt mit Scharlatan und Motorrad im Gepäck

Nach der Fahrt mit dem Kaninchen Transport muss ich jetzt mit viel Gepäck und vor allem dem Motorrad im Bus zurück fahren um in Toumodi mit meiner Arbeit weiter zu machen. Wie schon bei der ersten Fahrt befürchte ich, dass ich beim Umsteigen in der politischen Hauptstadt Yamoussoukro Schwierigkeiten haben werde.

Hilfsbereite Menschen und Schmiergeld

Am schnellsten läuft hier alles wenn man die richtigen Leute kennt. Ich habe das Glück einen Arbeitskollegen zu haben, der irgendwie immer die richtigen Leute kennt. So können wir gleich beim Chef am Busbahnhof vorsprechen und ich bekomme den Transport vom Motorrad zu einem anscheinend günstigeren Preis, mit umgerechnet 15€. Mein Sitzplatz kostet dann noch einmal 7€.

Zusätzlich wird noch bei meinem Umstieg Busbahnhof angerufen und Bescheid gesagt. Ich bekomme dann noch eine Telefonnummer von dem Typ in die Hand gedrückt.

Yamaha Motorrad
Yamaha Motorrad

Ich habe zu dem Zeitpunkt immer noch keine richtige Vorstellung, wie die eigentlich das Motorrad in den Bus bekommen wollen, das ist schließlich nicht umbedingt leicht. Aber die fangen schon an den Schlauch vom Tank abzuziehen und das Benzin in Plastikflaschen zu füllen. Gut, dass ich länger nicht getankt habe – trotzdem füllen wir zwei große PET Flaschen, wovon eine fürs „Schmiergeld“ drauf geht.

Als der Bus kommt sind Ruck Zuck ein Haufen Leute zur Verfügung, die das Motorrad in den Kofferraum vom Bus hieven. Mit anpacken darf ich aus irgendeinem Grund nicht.

Entspannung während der Fahrt – oder auch nicht

Nach dem alles in den Bus gepackt ist suche ich mir einen freien Sitzplatz, bei einem der wenigen den ich noch finde liegt das komplette Sitzpolster auf dem Boden. Das lässt sich aber glücklicherweise einfach wieder drauf legen. Der Platz ist sogar ziemlich gut – dank dem kaputten Sitz wollte das nur keiner vorher testen. Ich freue mich schon auf der Fahrt ein bisschen Schlaf nachholen zu können.

Kurz nach der Abfahrt stellt sich ein Typ in den Mittelgang vom Bus und hält irgendeine Ansprache. Ich höre erst nicht so richtig hin und denke, dass er irgendwie zum Busunternehmen gehört. Er animiert die Leute zum Beten und predigt ein bisschen.
Dann fängt‘s aber an wirklich kurios zu werden, weil er anfängt von irgendwelcher Zaubersachen und magischen Heilungen zu reden.

Ich gucke mich etwas verwirrt nach der Reaktion meiner Mitfahrer um. Die sitzen zum Teil schlafend da aber ein großer Teil hört zu meiner Überraschung zumindest halbwegs aufmerksam zu und stimmt ab und zu nickend zu. Ich versuche mich sehr doll anzustrengen ihn möglichst zu ignorieren, damit ihm schneller die Puste ausgeht. Wenn die Aufmerksamkeit seines Zwangspublikums nachlässt animiert ihn das aber anscheinend eher dazu noch mehr zu schreien.

Nach dem ich bestimmt eine halbe Stunde versucht habe trotzdem zu schlafen und ihm keine Aufmerksamkeit zu schenken fängt er an über irgendwelche Magie der Weißen zu reden. Er erzählt von Zauberpulver, was Frauen dicke Hintern schenkt und magische Mittel, die verhindern dass man Kinder bekommt. Ich gucke mich nur fassungslos um, aber die meisten Menschen um mich sind total davon gefesselt, als was er unsere Rindermast Medikamente und die Verhütungspille verkauft. Zwischen solche Medikamenten Geschichten mischt er auch immer wieder irgendwelche Mythen vom Verfluchen von Menschen und der magische Schutz gegen so etwas – Er kann selbstverständlich vor sowas schützen und schreit seine Telefonnummer durch die Reihen, damit man ihn bei Bedarf anrufen kann.

Nach über 1,5 Stunden harter Predigt über Zaubern und irgendwelche Mittelchen sehe ich letztendlich wodrauf das Ganze rausläuft. Er kramt unter dem Sitz Tütchen mit Pulver hervor – jetzt wird verkauft. Mit erneuter Predigt bewirbt er das Pulver als Heilmittel gegen Malaria, Cholera, Krebs, HIV, Fieber, Entzündungen, Verfluchungen und alle anderen möglichen schlechten Sachen, die einem Wiederfahren können.

Speziell für uns gibt es natürlich ein riesen Rabatt und die Tüte geht für umgerechnet 3€ statt für 7,50€ weg. Nach dem die Leute ihm das ganze Packen quasi aus der Hand reißen geht’s direkt mit irgendeiner super speziellen Zahnpasta weiter, danach dann irgendwelche anderen Mittelchen.

Ich bin schon völlig fertig von der ständigen Beschallung, als mir ein genialer Einfall kommt. Ich habe vor ein paar Wochen in der Zeit über eine spanische Firma gelesen, die zugeschickte Substanzen für 70€ analysiert. Was könnte man also besseres aus der Situation machen ;-). Ich lasse mir eine der erstaunlich offiziell aussehenden Tütchen zeigen – „rein pflanzlich“. Nach dem ich mich versichert habe, dass auf der Verpackung in der Sparte „Hilft gegen:…“ nur absoluter Quatsch steht drücke ich dem „Zauberer“ 2000 CFA in die Hand und bin stolzer Besitzer von Zauberpulver. Als Tipp bekomme ich noch mit, dass ich das Ganze wie Tee zuzubereiten soll.

Umsteigen dauert mal wieder länger

Yamoussoukro Busbahnhof Gepäck
Yamoussoukro Busbahnhof Gepäck

Wie schon bei meiner Fahrt vorher gestaltet sich es auch dieses Mal wieder mit dem Umsteigen in Yamoussoukro nicht so einfach. Dieses Mal habe ich zudem noch viel mehr Gepäck – aber auch die magische Telefonnummer von einem der Mitarbeiter. Der ist auch gleich super hilfsbereit und organisiert das Ausladen. Dann versucht er mir auch gleich einen Platz in dem Bus für die Weiterfahrt zu sichern.

Leider dauert das Ganze mal wieder ewig lang, da die abfahrenden Busse schon voll sind oder nicht genug Platz im Kofferraum für das Motorrad haben.

Irgendwann dann schon nach Sonnenuntergang heißt es gleich kommt ein Bus der groß genug ist. Ganz stolz wird mir dann ein nagelneuer Mercedes Bus als deutsche Qualität präsentiert – ich staune nicht schlecht. In den Kofferraum würden locker drei Motorräder reinpassen. Der Busfahrer muss aber dann noch mit etwas Kleingeld „überredet“ werden, dass er für mich extra anhält und ich mit Motorrad aussteigen kann.

Als ich dann endlich im Bus bin werde ich aber schnell bitter von der „deutschen Qualität“ enttäuscht – ich passe beim besten Willen nicht in den Sitz… die Sitze haben einen viel zu kleinen Abstand. Ich werde aber sofort, ohne dass ich irgendwas gesagt hätte, direkt in die erste Reihe neben den Fahrer gesetzt. Solche Luxus Beinfreiheit hatte ich bisher in noch keinem Bus – Schade, dass die Fahrt nur eine halbe Stunde ist.

Nach diesmal 11 Stunden unterwegs komme ich dann endlich mit Motorrad und allem in meiner neuen Kurzzeit Heimat Toumodi an.

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